Viele Menschen belächeln Klimaaktivsten als naiv. Doch bei einigen jungen Menschen wie unserer Autorin provoziert das vor allem eines: Unverständnis. Sie wirft vielen Älteren Ignoranz vor. Ihre Perspektive untermauert sie mit Fakten – nicht nur zum Symbolobjekt SUV. Ein Meinungsbeitrag.
Im Sommer saß ich mehrere Tage auf einer griechischen Insel wegen eines Unwetters fest. Die Zerstörung war immens: überflutete Straßen, zerstörte Gebäude, schwimmende Autos, kein fließendes Wasser, keine Verbindung zum Festland. Monatelange Dürre, gefolgt von Starkregen, traf die Menschen unvorbereitet. Nicht, dass man sich gut auf eine Katastrophe in diesem Ausmaß vorbereiten könnte. Aber nicht einmal die Wetterdienste konnten dieses Unwetter prognostizieren. Die Klimakrise mag abstrakt erscheinen, doch sie ist keine ferne Bedrohung mehr. Die Realität drängt sich uns unmittelbar auf.
Ich bin Jahrgang 1997, für meine Generation ist Klimaschutz Alltag. Von meinen Freunden besitzt kaum jemand ein Auto, fast alle ernähren sich vegetarisch oder vegan. Flieger sind Zügen gewichen, unseren Kaffee trinken wir mit Hafermilch, und Unverpacktläden befreien uns von Plastik. Wir fragen uns, ob wir in diese Welt noch Kinder setzen wollen. Für uns ist das keine Besonderheit, nichts Bemerkenswertes oder Exotisches – es ist Normalität.
Klimakrise: Ein Gefühl des Verrats
Aber die Klimakrise darf nicht die Bürde Jüngerer sein, nur weil wir keine Wahl haben und die ältere Generation in ihren Gewohnheiten verharrt. Während die Welt in Flammen steht und von Fluten verschluckt wird, empfinde ich ein Gefühl des Verrats. Diese Generation hatte die Macht, den Kurs zu ändern. Und doch scheint sie entweder ignorant oder gleichgültig gegenüber der Dringlichkeit des Problems.
Diese Ignoranz macht mich wütend. Wütend darüber, dass die Stimme der Jugend oft überhört oder als naiver Idealismus abgetan wird. Das ist keine rebellische Laune einer jüngeren Generation, es ist ein Schrei nach Verantwortung und Gerechtigkeit. Wir sind nicht bereit, die Versäumnisse der Vergangenheit zu erben, ohne uns dagegen zu wehren.
Wir verlangen Rechenschaft, und zwar nicht nur von denen, die die Entscheidungen treffen, sondern auch von jedem Einzelnen, der sich beharrlich weigert, die Realität anzuerkennen. Uns geht es nicht um Autofahrer gegen Klimakleber, Raser gegen Tempolimit, Fleischesser gegen Veganer, Alte gegen Junge. Unsere Wut richtet sich nicht gegen ältere Generationen als Ganzes. Sie ist eine Verurteilung der Untätigkeit und der Verleugnung. Wir fordern Veränderung, und zwar jetzt.
Denn die Zeit rennt uns davon. Auf der Website des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate tickt erbarmungslos eine Uhr. 23 Jahre – mehr bleibt uns nicht. Danach werden wir die als absolute Obergrenze des Pariser Abkommens genannten zwei Grad Temperaturanstieg erreicht haben. 2050 soll alles klimaneutral sein, ein ökologischer Neuanfang. Kein zusätzliches CO2 mehr in die Atmosphäre.
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Um das zu erreichen, müssen wir endlich aufhören, uns selbst zu sabotieren: Wir wissen, wie schädlich Energie aus fossilen Brennstoffen ist, und trotzdem verschieben wir den Kohleausstieg in die Zukunft. Der Verkehr ist einer der Hauptversucher von Treibhausgasen in Deutschland, und trotzdem schaffen wir es nicht, ein lächerliches Tempolimit durchzusetzen. Ganz so, als gehörte es zu unserem Geburtsrecht, im Porsche mit 250 km/h an diesen Mittelspurschleichern vorbeizubrettern.
Man muss sich klarmachen: Nur ein Kilometer der A100 kostet so viel wie das fehlende Budget für die Verlängerung des Deutschlandtickets. 60 Milliarden Euro ungenutzter Corona-Gelder wurden in den Klimafonds verschoben, das Bundesverfassungsgericht erklärte das für rechtswidrig. Gleichzeitig fließen lieber jährlich Milliarden deutscher Steuergelder in umweltschädliche Subventionen.
Ja, es wird auch teurer
Ich wohne in München, die Stadt der sogenannten Sport Utility Vehicles, kurz SUVs. Und als Fahrradfahrerin lebe ich dort gefährlich. Jüngst wurde mir mal wieder die Vorfahrt genommen, begleitet von einer Portion Beleidigungen. Am liebsten hätte ich den rücksichtslosen Fahrer angeschrien, dass er mit seinem protzigen Auto die Zukunft seiner Tochter, die auf dem Beifahrersitz saß, aufs Spiel setzt.
Denn Fakt ist: SUVs sind die zweitgrößte Ursache für den globalen Anstieg an Emissionen der vergangenen zehn Jahre, direkt nach dem Energiesektor. Statt Elektroautos als umweltfreundliche Vorreiter zu feiern, wurden SUVs zum Star, zum Statussymbol einer Gesellschaft, die offensichtlich lieber mit PS protzt als den Planeten zu schützen.
Der technologische Fortschritt und wirtschaftliche Aufschwung haben uns ein Versprechen gegeben: Wohlstand und ein gutes Leben. Aber das alte Modell von immer mehr Konsum und Ausbeutung der Natur funktioniert nicht mehr. Doch genau daran klammert sich die ältere Generation. An Gewohnheit und Sicherheit und vor allem daran, jetzt noch nicht den höheren Preis zahlen zu müssen. Das Jahr 2023 hat sich beim Wetter gleich mehrfach hervorgetan. Mit einem Temperaturmittel von 10,6 Grad war es nach Angaben des Deutschen Wetterdiensts (DWD) das wärmste Jahr seit Messbeginn – der Wert lag mit 2,4 Grad deutlich über denjenigen der international gültigen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Mit Hochwasser in vielen Landesteilen ging das Jahr zu Ende. Laut DWD könnte 2023 nach aktuellem Stand Platz sechs in der Reihe der nassesten Jahre erreichen. Global wird mit einem Rekordjahr bei der Temperatur gerechnet.
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Aber nicht nur gesellschaftlich, sondern auch politisch sehen wir Tatenlosigkeit par excellence. Angela Merkel präsentierte sich als „Klima-Kanzlerin“, posierte 2007 in Grönland, um die Eisschmelze zu begutachten, und vollzog nach der Fukushima-Katastrophe 2011 einen Ausstieg aus der Atomkraft.
Eine vermeintliche Umweltrevolution, die schnell verblasste. In der Ära Merkel wurden selbst gesteckte Klimaziele jahrelang krachend verfehlt. Erst 2020 erreichten wir die angestrebten 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 – und das nur dank der Corona-Pandemie.
Klimaschutz ist frustrierend. Aber ich weigere mich, Teil einer Gesellschaft zu sein, die sich vor der Verantwortung für unseren Planeten drückt. Ich will auch nicht mit Verwandten darüber streiten müssen, dass sie unseren Wohlstand aufgebaut haben und ich dankbar sein sollte, anstatt sie darum zu bitten, ihr Verhalten zu ändern. Die Probleme sind menschengemacht. Und sie zu lösen, wurde zu lange aufgeschoben. Wir können es uns nicht mehr leisten, tatenlos zuzusehen. Wir haben die Mittel, die Konsequenzen sind klar – die Verantwortung liegt in unseren Händen.
Effektiver Klimaschutz braucht die ganze Gesellschaft. Doch während die Welt brennt, verharren einige in ihrer Bequemlichkeit. Ein nachhaltiger Lebensstil schränkt unseren Komfort kurzfristig ein, mittelfristig bewahrt er aber unseren Lebensstandard und langfristig das Leben vieler Menschen selbst. Klimaschutz will keinem etwas wegnehmen. Nicht das Schnitzel, nicht das Auto und auch nicht den Jahresurlaub.
Gut, abgesehen von dem Recht auf lebensgefährliche Raserei vielleicht – aber das wäre wohl eher ein Beitrag zum eigenen Straßenkarma als ein Verlust. Und ja, es wird auch teurer. Aber wenn wir nicht umdenken, wird es unbezahlbar. Unsere Lebensgrundlage verschwindet. Wir müssen aufwachen, bevor unser Albtraum Wirklichkeit wird.
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Die Folgen des Klimawandels sind real, unmittelbar spürbar und längst keine hypothetischen Szenarien mehr. Stürme, Dürren, Starkregen – Europa hat noch keinen Sommer wie den des Jahres 2023 erlebt. Solche Katastrophen galten einst als Jahrhundertereignisse, inzwischen treten sie in immer kürzeren Abständen auf. Neben finanziellen und ökologischen Schäden fordern sie im schlimmsten Fall Menschenleben.
Wie im Ahrtal, als 2021 mindestens 185 Menschen durch die Flut starben. Mindestens 15 waren es diesen Sommer in Griechenland. Tage nach dem Unwetter dort unterhielt ich mich mit einem Restaurantbesitzer. Er sagte mir, dass er hoffe, dass nie wieder so etwas passiert. Uns beiden war klar, dass diese Hoffnung unerfüllt bleiben wird.