Immer mehr Menschen in Deutschland sorgen sich vor den Folgen der Klimakrise. Die Klima-Politik der USA verstärkt die Sorgen. Die Konsequenz für viele: Schlechte Nachrichten vermeiden. Dabei würde etwas anderes viel mehr helfen.
Es war ein seltsames, beunruhigendes Gefühl, das die Psychologische Psychotherapeutin Anika Heck selbst zunächst nicht einordnen konnte: Nachdem die 39-Jährige an einem heißen Augustmittwoch im Jahr 2019 ihre Tochter nur eine Stunde nach der Geburt verloren hatte, saß sie Monate später mit ihrem älteren Sohn auf dem Sofa des Kinderzimmers – und spürte nach dem Trauerfall so etwas wie Erleichterung.
„Das Gefühl kam bei mir auf, weil ich dachte, dass meiner verstorbenen Tochter wenigstens die Bedrohungen durch die Klimakrise erspart bleiben“, sagt Heck. Der Fall von Anika Heck ist sehr persönlich. Sie hat daraus die Konsequenz gezogen, sich stärker zu engagieren und solidarisch zu zeigen.
Denn Klima-Angst als Emotion zieht sich durch die ganze Gesellschaft: Mehr als 76 Prozent der Menschen in Deutschland gaben in einer repräsentativen Befragung der Allianz-Versicherung an, dass sie besorgt (ängstlich) oder sogar alarmiert (sehr ängstlich) mit Blick auf den Klimawandel und seine Folgen seien. Wie unterscheidet sich diese spezielle Angst von anderen und welche Wege gibt es, damit umzugehen?
Klima-Angst ist Angststörung
Anika Heck engagiert sich seit fünf Jahren bei den Psychologists & Psychotherapists for Future e.V., einem Verein aus Psychologinnen und Psychotherapeuten, die sich mit den psychologischen Aspekten der Klimakrise beschäftigen.
Klima-Angst, sagt sie, unterscheidet sich von Angststörungen, die sie bisher behandelte. „Wenn jemand eine Spinnenphobie hat und nicht in den Keller geht, ist das eine übertriebene Angst. Die Klima-Angst hingegen ist aus psychotherapeutischer Sicht eine angemessene Reaktion, weil die Bedrohung real ist“, sagt sie.
Angst ist ein unangenehmes Gefühl und gesellschaftlich nicht angesehen. Verdrängung ist verlockend: Wer abends fernsieht, und es läuft eine Sendung über die Klimakrise, wechselt schnell zum Unterhaltungsformat auf dem anderen Kanal.
Menschen vermeiden laut Studien zunehmend Nachrichten, was nicht nur an Kriegen und Krisen liegen dürfte, sondern auch an der stets im Hintergrund schwelenden Erderwärmung. Der Rückzug ins Private, die Abkehr von der Welt, ist menschlich nachvollziehbar – gesellschaftlich natürlich ein Problem.
Klimakrise kann viele Gefühle auslösen
„Wie bei anderen psychologischen Herausforderungen geht es auch bei der Klima-Angst darum, diese in einem ersten Schritt überhaupt erst mal anzuerkennen und zu akzeptieren“, sagt die Psychotherapeutin. „In einem zweiten Schritt muss man dann sehen, wie man damit umgeht, damit es einem nicht immer schlechter geht. Hier gilt es, ins Handeln zu kommen und die Angst ins Konstruktive umzuwandeln.“
Dass dies keine leichte Aufgabe ist, bestätigt auch Anna Pribil. Sie ist Mitgründerin von Psychologists for Future Austria, dem Pendant des Vereins in Österreich. Sie begrüßt es, dass es ein wachsendes Bewusstsein für das Thema Klima-Angst gibt. „Neben der Klima-Angst kennen wir noch weitere Klima-Gefühle: Da entsteht Klima-Trauer über den Verlust der Umwelt oder zum Beispiel Klima-Wut, weil die Politik nicht die nötigen Schritte geht“, sagt Pribil.
Da Klima-Angst keine offizielle Diagnose ist, werden auch keine Statistiken darüber geführt, ob mehr Menschen deshalb psychotherapeutische Hilfe suchen. Der Erfahrung von Anna Pribil zufolge steigt die Nachfrage jedoch immer weiter an.
In ihren Beratungsgesprächen hilft sie Menschen, mit diesen Emotionen umzugehen. „Am meisten leiden die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich ohnehin viel mit der Klimakrise beschäftigen.“
Donald Trump verstärkt Gefühl
Eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump, der das Motto „Drill, baby, drill“ ausgegeben hat und Ölbohrungen fördern will statt auf erneuerbare Energien zu setzen, dürfte die Klima-Angst bei vielen verstärken. Gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit unterzeichnete Trump ein Dekret zum erneuten Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Er argumentierte, internationale Abkommen würden nicht mit den Werten der USA übereinstimmen und die Steuerzahler belasten. Kritiker befürchten, dass dieser Schritt die globalen Bemühungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen untergräbt.
Trump erklärte zudem einen nationalen „Energienotstand“, um die Nutzung fossiler Energieträger zu erleichtern und Genehmigungsverfahren für den Bau von Pipelines zu beschleunigen. Gleichzeitig wurden Genehmigungen für neue Windparks gestoppt und überprüft.
Die US-Umweltbehörde EPA plant, zahlreiche Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zurückzunehmen, darunter die Abschwächung von Vorschriften für Elektrofahrzeuge und Emissionen von Kraftwerken.
Zusammengenommen: Die Entwicklungen in den USA und das Signal, das von der wirtschaftlich größten Volkswirtschaft der Welt ausgeht, ist fatal.
Die Psychologin Pribil sieht allerdings auch in der Berichterstattung ein Problem beim Schüren von Klima-Ängsten. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Lausanne kam bereits Ende 2023 zu dem Schluss, dass Berichte über Probleme des Klimawandels wie Überschwemmungen, Dürren und andere Klimakrisen-Phänomene nicht dazu anregen, selbst aktiv zu werden.
Im Gegenteil, einige Menschen wenden sich frustriert ab. „Was wirklich hilft, ist, immer auch Handlungsempfehlungen mitzuliefern“, sagt Pribil. Zuversicht beziehungsweise der Glaube daran, etwas verändern zu können, sind entscheidend.
Politik vermeidet lieber
Das schreiben auch die Autoren der Studie der Universität Lausanne: Nachrichten seien dann kommunikativ wirksam, wenn die Öffentlichkeit „nicht das Gefühl hat, dass sie bedrohliche Informationen vermeiden, vernachlässigen, minimieren oder ignorieren muss, sondern sich durch Abmilderungs- und Anpassungslösungen gestärkt fühlt und ihrerseits Handlungen vornimmt, die zum Vorläufer eines größeren zukünftigen Wandels werden können“.
Eben das passiere in der aktuellen Politik nicht, kritisiert Anika Heck. „Ich nehme in der Öffentlichkeit und von Politikern oft den Tenor wahr, es doch ja zu vermeiden, die Menschen zu überfordern und ihnen Angst zu machen“, sagt sie.
Sie vergleicht die Situation mit einem Arzt, der beim Patienten eine Lebensgefahr diagnostiziert, das aber für sich behält. „Das wäre kein guter Arzt. Und so ist auch der politische Umgang mit der Klimakrise nicht für mündige Personen angemessen.“ Der ehrliche Umgang wäre, die Angst auszuhalten und zu akzeptieren, dass wir Menschen unser Verhalten grundsätzlich ändern müssten.
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Gegenseitig Mut machen
Wie bei anderen Ängsten können sich die Klimagefühle verstärken, wenn man auf sich allein zurückgeworfen ist und als Einzelner engagiert. „Wer sich gemeinschaftlich einsetzt, kann sich hingegen in schwierigen Phasen aufbauen und gegenseitig Mut machen“, sagt Heck.
Um gegen die eigene Klima-Angst anzugehen, engagiert sich die Niedersächsin nicht nur bei Psychologists for Future. Sie ist erste Vorsitzende des Vereins Climate Connect Deutschland e.V., der Menschen dabei helfen soll, sich zusammenzuschließen und klimafreundliche Projekte anzustoßen.
Das Wissen um das Problem fehlt
Auf der Website des Vereins lassen sich Klimaprojekte am eigenen Wohnort starten und Gleichgesinnte finden. Häufig geht es um Mobilität und autofreie Innenstadt-Bereiche. Einige Initiatoren bieten etwa einen kostenlosen, dreitägigen Verleih von Lastenrädern an.
Neben dem Thema Ernährung drehen sich viele Projekte um Energieversorgung. „Sehr erfolgreich sind zum Beispiel kleine Initiativen, bei denen sich Nachbarn für die Installation von Balkonkraftwerken zusammenschließen“, sagt die Vereinsvorsitzende. Oft spielt auch Klimabildung eine Rolle: Workshops vermitteln Wissen, welches Verhalten die Erderwärmung verlangsamt.
Denn hier mangelt es zunehmend. Die oben erwähnte Befragung der Allianz-Versicherung kommt nämlich nicht nur zu dem Schluss, dass immer mehr Menschen den Klimawandel als ernsthafte Bedrohung ansehen.
Zugleich gibt es immer weniger Basiswissen zur Erderwärmung und ihren Folgen. Das könne Angst machen, sagt Heck. Aber es gilt, damit konstruktiv umzugehen, auch wenn man jetzt erst damit beginnt.