Wie Geisterjäger nach dem Paranormalen suchen

Michael Böhm und seine Teamkameradin Peps auf der Suche nach dem Paranormalen. Foto: GET / Michael Böhm Michael Böhm und seine Teamkameradin Peps auf der Suche nach dem Paranormalen. Foto: GET / Michael Böhm

Mit Tonbandgerät, Nachtsichtkamera und Bewegungssensoren suchen sie Burgen und sogenannte Lost Places in ganz Europa auf: Das „Ghosthunter Explorer-Team“ aus Singen versucht die Existenz übernatürlicher Phänomene zu beweisen. 

Das Bild ist grün und verwackelt. In dem Video ist ein düsterer Raum zu sehen, in dem rätselhafte Geräte verteilt sind. Mehrere Personen sitzen schweigend um diese Apparate herum, sie warten. Dann durchbricht einer der Anwesenden die Stille: „Wenn jemand in unseren Reihen ist, melden Sie sich doch bitte.“ Die Frage ist unerwartet höflich formuliert, so wie es sich für ein erstes Kennenlernen gehört. Es herrscht wieder Stille, bis ein schriller Piepton die Spannung durchbricht. Eines der Geräte hat angeschlagen. Für die Anwesenden der Beweis: Hier ist eine paranormale Energie im Raum.

Was klingt wie die Szene aus dem weltbekannten Hollywood-Film Ghostbusters, hat sich tatsächlich so ereignet und wurde 2023 in der Burg Hohenzollern in Baden-Württemberg gefilmt. Der Ort hat den Ruf, die Heimat des Geistes der „Weißen Frau“ zu sein. Damit bietet er die perfekte Kulisse für das „Ghosthunter Explorer-Team“, eine Gruppe von mittlerweile drei Hobby-Geisterjägern aus Singen. 

Geisterjäger in Deutschland: Im Alltag Mechaniker, nachts Ghostbuster

Michael Böhm ist eines der Gründungsmitglieder. „Ich mache das seit fast 15 Jahren“, sagt er. Im Alltag arbeitet der 52-Jährige als Mechaniker. In der Nacht wird er zum Geisterjäger. 

„Angefangen hat es mit meiner Schwester“, erinnert sich Böhm. „Sie berichtete von unerklärlichen Geräuschen in ihrem Haus und bat mich um Hilfe. Da habe ich mich gefragt, ob man solche Phänomene durch technische Geräte nachweisen könnte und so entstand meine Faszination für das Ghosthunting.“

Er und sein Team reisen seitdem regelmäßig an Orte mit vermeintlich dunkler Vergangenheit. Meistens sind es Burgen, Schlösser und verlassene Gebäude, sogenannte „Lost Places.“ „Früher sind wir auf Anfrage auch zu privaten Haushalten gefahren“, erzählt Böhm. Dort musste man sich jedoch auf die Berichte der Bewohner verlassen, ohne die Lage zuvor begutachten zu können.  „Da hat sich der zeitliche und finanzielle Aufwand dann oft nicht gelohnt.“ 

Michael Böhm ist es wichtig, eines klarzustellen: „Wir jagen keine Geister, das ist Hollywood. Wir suchen einfach nach Hinweisen auf paranormale Aktivitäten.“ 

Für die Suche nach solchen Phänomenen kommen zahlreiche Technologien zum Einsatz. Neben Nachtbildkameras und Tonbandgeräten nutzt das Team Geräte, die eigens für die Geisterjagd entwickelt wurden. Diese erinnern dann doch wieder an die Apparate der Ghostbusters, haben aber andere Namen, statt des Protonenstrahlers aus den Hollywood-Filmen ist es zum Beispiel der sogenannte „Flux.“ 

„Im ‚Flux‘ sind Sensoren verbaut, die ursprünglich aus der Drohnentechnologie stammen“, erklärt Böhm. Diese Sensoren sollen Bewegungen in ihrem unmittelbaren Umfeld durch Lichtsignale sichtbar machen. „Das Gerät piept und leuchtet jeweils grün oder rot auf, je nachdem, auf welcher Seite die Bewegung wahrgenommen wird. So können wir, vereinfacht gesagt, eine Art Kommunikation herstellen“, erläutert er. „Die Farben stehen dann entweder für Ja- oder Nein-Antworten.“ Der „Flux“ ist das Gerät, das in dem Video von der Burg Hohenzollern reagierte.

„Oft kaufen wir die Geräte über Facebook-Gruppen“, erzählt Böhm. Hier tauschen sich Geisterjäger aus der ganzen Welt aus und berichten über das neueste Equipment. Die Gerätschaften werden von anderen Hobby-Geisterjägern entwickelt und zusammengebaut. Sie kosten oft mehrere Hundert Euro. Das Ganze finanziert das Explorer-Team aus eigener Tasche. 

Bewaffnet mit solchen Gerätschaften warten die Geisterjäger nachts in zugigen Räumen und Burgfluren und hoffen auf das Unerklärliche. Wo genau sie ihre Geräte aufstellen, ist meist Bauchgefühl. „Man lernt aus eigener Erfahrung und tauscht sich mit anderen Geisterjäger-Gruppen aus“, erklärt Böhm. Mit Halloween habe die Geisterjagd nichts zu tun. „Wir sind an diesem Tag noch nie unterwegs gewesen“, sagt er. 

Bei ihren Erkundungstouren sammeln die Geisterjäger unzählige Stunden an Video- und Tonmaterial, das anschließend am Schreibtisch ausgewertet wird. „Ich sitze oft stundenlang vor dem Laptop“, so Böhm. Gemeinsam bespricht das Team dann die Ergebnisse und veröffentlicht diese auf seiner Internetseite. 

Auf der Website finden sich zahlreiche mysteriöse Bilder und Videos, in denen Schatten oder andere Phänomene auftauchen. Eines der prägendsten Erlebnisse sei ihm auf einer Burg in Irland passiert. „Wir haben dort kleine Knicklichter platziert, um zu beobachten, ob die Gegenstände möglicherweise bewegt werden. Als ich nochmal die Technik überprüfte, beobachtete ich, wie eines der Knicklichter über den Tisch rollte.“ Auf die Frage, ob das nicht der Wind gewesen sein könne, lächelt Böhm. „In Deutschland sind alle so skeptisch. Ich finde aber, man sollte beide Seiten in Betracht ziehen.“

Überhaupt scheint Irland ein gutes Pflaster für paranormale Erscheinungen zu sein. Böhm zeigt ein Foto, das in einem alten Kloster in Südirland aufgenommen wurde. Auf dem Bild ist der schattenhafte Umriss einer menschlichen Gestalt zu sehen. Ein Geist? 

Dabei gibt er zu, dass er am Anfang skeptisch war. „Ich bin mir nicht sicher, ob es Geister gibt, aber ich habe schon so viel erlebt, dass ich an paranormale Phänomene glauben muss“, erklärt er.

Paranormale Phänomene: Walter von Lucadou sucht Erklärungen

Ein Experte, der auf den ersten Blick unerklärliche Phänomene oft erklären kann, ist Walter von Lucadou. Für den Parapsychologen und Physiker lassen sich, wie von Böhm geschilderte Phänomene, meist psychologisch erklären. Er leitet die Beratungsstelle für Parapsychologie in Freiburg und berät seit den 80er-Jahren Personen, die von paranormalen Erscheinungen berichten.  

Viele dieser vermeintlich übernatürlichen Geschehnisse seien durch die sogenannte „Pareidolie“ zu erklären. Dies beschreibt die Neigung, in zufälligen Reizen Muster zu erkennen, etwa Gesichter in Wolken oder Stimmen im Rauschen eines Radios. „Wenn sie lange genug auf ein unregelmäßiges Muster schauen oder einem undeutlichen Geräusch lauschen, werden sie etwas Menschliches darin erkennen, das ist unsere Natur“, erzählt von Lucadou. Auch für die Schattenbilder findet er eine Erklärung. Ungünstige Lichtverhältnisse und Reflexionen in der Umgebung können irreführende Eindrücke erzeugen, die als Schatten wahrgenommen werden. 

Von Lucadou sieht das Hobby der Geisterjagd kritisch: „Diesen Menschen geht es nur um die Sensation“. Seiner Meinung nach schüren Geisterjäger die Angst vor dem Unerklärlichen. „Ich habe schon oft Geisterjäger in meiner Beratungsstelle gehabt, die mit dem Gesehenen nicht klargekommen sind. Wenn ich ihnen erkläre, wie solche Phänomene zustande kommen, sind sie beruhigt“, erzählt er.

Auch der Einsatz von den Geräten der Hobby-Geisterjäger sei kritisch zu bewerten. „Häufig ist ihnen nicht genau bekannt, wie sie funktionieren und was ihre ‚Messergebnisse‘ bedeuten.“ 

Der Parapsychologe aus Freiburg leugnet jedoch nicht, dass es unerklärliche Phänomene gibt. Er spricht von „Anomalien“, die eher mit der menschlichen Psyche zu tun haben, als mit Geistern. Von Lucadou nimmt an, dass unterdrückte Probleme sich in sogenannten Spukerlebnissen manifestieren können. Das bedeutet, dass sich psychische Schwierigkeiten darin zeigen können, dass Gegenstände scheinbar von selbst bewegt werden oder Türen unerklärlich zufallen. 

Prof. Dr. Wolfgang Hell aus dem Wissenschaftsrat der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e. V. warnt davor, solche Ereignisse als wissenschaftlich erwiesen anzuerkennen. „Parapsychologen arbeiten zwar, anders als Geisterjäger, vorwiegend wissenschaftlich“, erklärt Hell, „aber ihre Ergebnisse entsprechen nicht dem wissenschaftlichen Standard, da sie von anderen Forschern nicht reproduzierbar sind“. Dennoch hat dieser Forschungszweig, laut Hell, seine Berechtigung: „Die Beratungsstelle in Freiburg kann für manche Menschen, die Unerklärtes erlebt haben, eine Hilfe sein. Trotzdem sollte die Forschung in diesem Bereich mit Skepsis betrachtet werden.“ 

Wenn es um das Phänomen Geisterjäger geht, stimmt Hell den Aussagen von Walter von Lucadou zu. „Es ist ein nettes Hobby, hat aber nichts mit der Realität zu tun.“ Der Geisterjäger Michael Böhm reagiert auf solche Kritik gelassen. „Was andere denken, ist mir egal“, sagt er. „Man kann auch gerne nicht daran glauben. Ich bin selbst manchmal skeptisch. Aber ich habe Spaß daran, und das ist das Wichtigste.“ So wird sein Team weiterhin durch Burgen und dunkle Gemäuer streifen, auf der Suche nach dem Paranormalen. 

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