| Erschienen in der Berliner Zeitung |
In den vergangenen Wochen häuften sich die Meldungen von Menschen, die in Altkleidercontainern steckenblieben und ums Leben kamen. Die Betreiber und Hersteller appellieren nicht nur an den gesunden Menschenverstand. Auf Anfrage erklären sie auch, wie sie ähnliche Fälle künftig verhindern wollen.
Aschaffenburg. Zwei verlassene, weiße Flip-Flops stehen noch vor den beiden blauen Altkleidercontainern am Rande der Gemeinde Großostheim, Landkreis Aschaffenburg in Unterfranken. Das Foto, das später durch die lokale Presse geht, zeigt den geöffneten Container aus Stahlblech, darin einen Haufen alter Klamotten. Ob die Badesandalen der 25 Jahre alten Saisonarbeiterin gehörten, die hier vor einigen Tagen ums Leben kam, kann die Polizei zwar nicht sagen. Klar ist aber: Um 19.45 Uhr an einem Donnerstag Ende Juli riefen zwei Zeuginnen die Beamten, die kurz darauf die tote 25-Jährige aus der Klappe des Containers befreiten.
„Es gibt keine Hinweise auf Fremdverschulden oder eine Gewalteinwirkung“, sagt der Polizeihauptkommissar Björn Schmitt auf Nachfrage. Eine Obduktion werde es nicht geben. Der Fall der 25-jährige Rumänin, die auf einem Bauernhof in der Nähe wohnte, wird damit zu den Akten gelegt. Vermutlich wollte die Frau aus dem Container Kleidung herausholen.
Der Fall ist ein tragisches Einzelschicksal – und doch häuften sich in den vergangenen Wochen und Monaten die Meldungen von Menschen, die in Altkleidercontainern stecken blieben und zu Tode kamen. Ende Juni hing in Düsseldorf ein 41-Jähriger in einem Container für Altkleidung fest und starb, in Hilchenbach (Siegerland) kam es Mitte Juni zu einem ähnlichen Vorfall, bei dem ein Obdachloser ums Leben kam. „Von der Person schauten noch die Beine aus der Einwurfklappe raus, der Rest des Körpers befand sich im Container“, heißt es in einer Mitteilung der Polizei.
Altkleidercontainer: Hersteller wollen mehr Sicherheit garantieren
Es gibt allein in den vergangenen drei Monaten zahlreiche Polizeimeldungen über Obdachlose oder anderen mittellosen Menschen, die sich an einem der schätzungsweise 138.000 Altkleidercontainer in Deutschland zu schaffen machten. Meist entwendeten sie Kleidung. Eine genaue Zahl, wie viele Menschen dabei ums Leben kamen, lässt sich schwer ermitteln.
Holger Brandenburg, Gründer des „Unsichtbar e.V.“, wundert das nicht. „Die Belange von Obdachlosen fallen in unserer Gesellschaft viel zu oft unter den Tisch“, sagt der Chef des gemeinnützigen Vereins, der sich für Wohnungslose einsetzt. „Jeder Todesfall dieser Art ist einer zuviel. Es muss doch im 21. Jahrhundert möglich sein, dass diese Container nicht zur Gefahr werden können“, sagt Brandenburg.
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Auch wenn es nur Einzelfälle sind: Welche unglücklichen Umstünde führen dazu, dass Menschen in den Klapp-Container ihr Leben lassen? „Bei so einem Unfall kann es zu drei Szenarien kommen“, erklärt Allgemeinmediziner Bertel Berendes aus Lügde. „Entweder der Kehlkopf wird zusammengeschnürt und die Menschen ersticken oder es kommt zum Genickbruch, wenn sie hineinstürzen“, so der Arzt. Durch die herabhängende Lage des Körpers könne es auch zu einer Gehirnblutung kommen. „Man kann davon ausgehen, dass die Opfer nach acht bis zehn Minuten bewusstlos werden“, so der Fachmann.
Nach den jüngsten Fällen wollen Betreiber und Hersteller nun nachbessern, um ähnliche Fälle in Zukunft auszuschließen. „Wir bedauern diesen Vorfall zutiefst”, sagt Rainer Binger, Geschäftsführer der Bremer FWS Gmbh. Sein Unternehmen betreibt auch den Container bei Aschaffenburg, in dem die 25 Jahre alte Saisonarbeiterin jüngst starb. Bundesweit unterhält die FWS GmbH rund 17.000 Depotcontainer.
„Wir werden an den Containern weitere Veränderungen vornehmen, um solche Vorfälle in Zukunft so gut wie möglich ausschließen zu können“, betont Binger. So will sich das Unternehmen dafür einsetzen, dass die Container nicht abseits aufgestellt werden und stets gut sichtbar sind. Und man will auch versuchen, die Technik weiterzuentwickeln. „Wir werden mit dem Hersteller Möglichkeiten erörtern, weitere konstruktive Veränderungen vorzunehmen, um derartige Unfälle zukünftig gänzlich ausschließen zu können”, sagt Binger.
Noch nicht alle Container haben Warnhinweise
Das will auch einer der größten Altkleider-Container Hersteller: die Joba Recycling Gmbh aus Bremen, die nach eigenen Angaben 60 Prozent der Behälter in Deutschland gefertigt hat. „Wir bedauern diese tragischen Unfälle, weisen aber darauf hin, dass die Container den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen“, sagt Geschäftsführer Kai-Uwe Jobst. Die Menschen, die trotz Warnhinweise versuchten einzusteigen, brächten sich in Lebensgefahr und machten sich strafbar.
„Natürlich sind wir laufend dabei, die Technik zu verbessern, um weitere Unfälle auszuschließen, man muss aber berücksichtigen, dass laufende Veränderungen an den Modellen sehr kostenintensiv sind“, sagt Jobst. Ein Beispiel mache aber Mut, sagt der Unternehmer: „Wir haben in Düsseldorf seit zwei Jahren gute Erfahrungen mit einer schmaleren Einwurf-Klappe gemacht, die durch einen kleinen Steg getrennt wird. An den Containern mit Separation sind bisher keine tödlichen Unfälle passiert, da der Einstieg deutlich erschwert wird.“ Diese Modelle würden in letzter Zeit immer häufiger angefragt.
Das begrüßt auch Thomas Ahlmann. Er ist Geschäftsführer des Verbands FairWertung, einem Zusammenschluss von 139 gemeinnützigen Sammelorganisationen. „Unfälle mit tödlichen Ausgang bilden Gott sei Dank die absolute Ausnahme“, sagt er. „Nichtsdestotrotz sollten Sammler möglichst hohe Sicherheitsstandards an ihre Behälter anlegen, um Unfälle im Zuge unsachgemäßer Nutzung zu minimieren“, sagt Ahlmann. Der Verband FairWertung e.V. werde den aktuellen Fall zum Anlass nehmen und die angeschlossenen, vielfach kirchlichen Organisationen, die mehrere Tausend Altkleidercontainer in Deutschland betreiben, für die Gefahren des Missbrauchs von Sammelbehältern sensibilisieren.
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Weil Warnhinweise und Piktogramme nicht jedes Unglück verhindern können, will der Verband künftig stärker darauf achten, dass die Container gut sichtbar aufgestellt sind. Auch das Vorhaben der Hersteller, die Mechanik mit schmaleren Einwurf-Klappen sicherer zu machen, begrüßt Ahlmann. „Prinzipiell haben wir die Erwartung an unsere Sammelorganisationen, dass die Container eingesetzt werden, die die höchsten Standards erfüllen“, sagt der Ahlmann.
Auf eine weitere Schwierigkeit weist Anton Vaas hin, der geschäftsführende Vorstand der Sammler-Organisation Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart. „Wir haben ein flächendeckendes Problem der Container-Beraubung“, sagt Vaas. Oft würde durch organisierte Banden, die versuchen Kleidung zu stehlen, der Gedanke des Spendens ad absurdum geführt. Dagegen müssten Ermittlungsbehörden verstärkt vorgehen.
Doch auch seitens der Container-Betreiber gebe es noch Luft nach oben. „Zwar sind viele Container schon mit Warnhinweisen und Piktogrammen ausgestattet, die auf die Gefahren hinweisen“, sagt er. Doch bislang seien das von den 1400 Containern der Aktion Hoffnung nur die Hälfte. „Wir haben nun gesagt, dass wir uns die jüngsten Todesfälle zum Anlass nehmen, wirklich alle neuen und auch alten Container mit Piktogrammen zu versehen“, erklärt er. Bis zum Ende des Jahres soll der ganze Bestand ausgerüstet werden, um weitere Unglücksfälle zu verhindern. VOLKER TACKMANN
| Erschienen am 14. August 2021 in in der „Berliner Zeitung“ |